Hintergrundbild §34a-Lexikon

Notwehrexzess

Von Notwehrexzess spricht man, wenn bei der Notwehr die Grenzen überschritten werden – etwa durch zu starkes oder zu frühes/zu spätes Handeln. Im Sicherheitsdienst gilt: Exzesse vermeiden, Deeskalation priorisieren und Maßnahmen sofort dokumentieren.

Formen des Exzesses

  • Intensiver Exzess: Überschreitung der Erforderlichkeit (zu hartes Mittel).
  • Extensiver Exzess: Handeln vor Beginn oder nach Ende des Angriffs (Zeitgrenze „Gegenwärtigkeit“ verfehlt).
  • Gebotenheit verletzt: krasses Missverhältnis, erkennbar schuldlose Angreifer etc.

§ 33 StGB (entschuldigender Notwehrexzess)

  • Wer die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet, kann entschuldigt sein.
  • Wichtig: Die Tat bleibt rechtswidrig, kann aber schuldlos sein (Unterschied zu Rechtfertigung!).
  • Reine Rache/Wut begründet in der Regel keine Entschuldigung.

Praxisleitfaden: Exzess vermeiden

  1. Lage & Eigensicherung prüfen (Abstand, Deckung, Gefahrenmittel, Team informieren).
  2. Deeskalation & klare Täteransprache – mildeste wirksame Maßnahme wählen.
  3. Hausrecht nutzen: Platzverweis, Begleitung – Hausrecht.
  4. Körperliche Mittel nur bis zur Beendigung des Angriffs anwenden.
  5. Nachphase: Erste Hilfe, Polizei, §127 StPO prüfen.
  6. Dokumentation im Vorfall-/Ereignisbericht und Schichtbericht.

Abgrenzungen & Sonderfälle

Putativnotwehr (Irrtumsfall)

  • Es wird irrtümlich ein Angriff angenommen.
  • Je nach Irrtumslage kommen andere Regeln in Betracht (z. B. Irrtumslehre) – im Dienst besonders heikel.

Notstand & Nothilfe

  • Nothilfe: Notwehr zugunsten Dritter – siehe Nothilfe.
  • Notstand (§ 34 StGB) ist von Notwehr abzugrenzen (Interessensabwägung).

Typische Fehler & Best Practice

Fehler

  • Weiteres Einwirken nach Ende des Angriffs.
  • Einsatz harter Mittel trotz milderer Alternativen.
  • Handeln aus Wut/Rache statt Verteidigungswille.
  • Fehlende Dokumentation & Nachbesprechung.

Best Practice

  • Stufenmodell: Ansprache → Trennen → Begleiten → körperliche Maßnahmen (mildestes wirksames Mittel).
  • Training in Deeskalation, Stress-/Adrenalinkontrolle.
  • Leitstelle früh einbinden, Lagemeldungen (Schema 5W).
  • Nach jedem Zwangseinsatz: Erste Hilfe, Meldung, Dokumentation.

Praxisbeispiel

Ein Angreifer schlägt zu, wird durch Blocken und Trennen gestoppt. Fehler: Der Mitarbeiter wirkt weiter ein, obwohl der Angriff beendet ist – intensiver Exzess. Richtig: Maßnahmen sofort beenden, beruhigen, Polizei rufen, Bericht erstellen.

Rechtsbezüge (kompakt)

Merksatz: Notwehr stoppt den Angriff. Kein „Nachschlag“. Mildestes wirksames Mittel, klare Kommunikation, lückenlose Dokumentation.

Verwandte Begriffe: Notwehr, Nothilfe, Jedermannsrechte, Täteransprache, Deeskalation, Dokumentation.

← Zur Übersicht