Von Notwehrexzess spricht man, wenn bei der Notwehr die Grenzen überschritten werden – etwa durch zu starkes oder zu frühes/zu spätes Handeln. Im Sicherheitsdienst gilt: Exzesse vermeiden, Deeskalation priorisieren und Maßnahmen sofort dokumentieren.
Formen des Exzesses
- Intensiver Exzess: Überschreitung der Erforderlichkeit (zu hartes Mittel).
- Extensiver Exzess: Handeln vor Beginn oder nach Ende des Angriffs (Zeitgrenze „Gegenwärtigkeit“ verfehlt).
- Gebotenheit verletzt: krasses Missverhältnis, erkennbar schuldlose Angreifer etc.
§ 33 StGB (entschuldigender Notwehrexzess)
- Wer die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet, kann entschuldigt sein.
- Wichtig: Die Tat bleibt rechtswidrig, kann aber schuldlos sein (Unterschied zu Rechtfertigung!).
- Reine Rache/Wut begründet in der Regel keine Entschuldigung.
Praxisleitfaden: Exzess vermeiden
- Lage & Eigensicherung prüfen (Abstand, Deckung, Gefahrenmittel, Team informieren).
- Deeskalation & klare Täteransprache – mildeste wirksame Maßnahme wählen.
- Hausrecht nutzen: Platzverweis, Begleitung – Hausrecht.
- Körperliche Mittel nur bis zur Beendigung des Angriffs anwenden.
- Nachphase: Erste Hilfe, Polizei, §127 StPO prüfen.
- Dokumentation im Vorfall-/Ereignisbericht und Schichtbericht.
Abgrenzungen & Sonderfälle
Putativnotwehr (Irrtumsfall)
- Es wird irrtümlich ein Angriff angenommen.
- Je nach Irrtumslage kommen andere Regeln in Betracht (z. B. Irrtumslehre) – im Dienst besonders heikel.
Notstand & Nothilfe
- Nothilfe: Notwehr zugunsten Dritter – siehe Nothilfe.
- Notstand (§ 34 StGB) ist von Notwehr abzugrenzen (Interessensabwägung).
Typische Fehler & Best Practice
Fehler
- Weiteres Einwirken nach Ende des Angriffs.
- Einsatz harter Mittel trotz milderer Alternativen.
- Handeln aus Wut/Rache statt Verteidigungswille.
- Fehlende Dokumentation & Nachbesprechung.
Best Practice
- Stufenmodell: Ansprache → Trennen → Begleiten → körperliche Maßnahmen (mildestes wirksames Mittel).
- Training in Deeskalation, Stress-/Adrenalinkontrolle.
- Leitstelle früh einbinden, Lagemeldungen (Schema 5W).
- Nach jedem Zwangseinsatz: Erste Hilfe, Meldung, Dokumentation.
Praxisbeispiel
Ein Angreifer schlägt zu, wird durch Blocken und Trennen gestoppt. Fehler: Der Mitarbeiter wirkt weiter ein, obwohl der Angriff beendet ist – intensiver Exzess. Richtig: Maßnahmen sofort beenden, beruhigen, Polizei rufen, Bericht erstellen.
Rechtsbezüge (kompakt)
- § 32 StGB – Notwehr
- § 33 StGB – entschuldigender Notwehrexzess (Verwirrung, Furcht, Schrecken)
- § 127 StPO – vorläufige Festnahme
- § 34 StGB – rechtfertigender Notstand (Abgrenzung)
Hinweis: Diese Seite ersetzt keine Rechtsberatung. Maßgeblich sind die gesetzlichen Regelungen und die konkreten Dienstanweisungen vor Ort.
Verwandte Begriffe: Notwehr, Nothilfe, Jedermannsrechte, Täteransprache, Deeskalation, Dokumentation.
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